Günther Uecker ist tot: Der Nagelkünstler der deutschen Nachkriegskunst stirbt im Alter von 95 Jahren

Ein Leben für die Kunst – Günther Uecker (1930–2025)

Am 10. Juni 2025 verstarb Günther Uecker, einer der prägendsten Künstler der deutschen Nachkriegsgeschichte, im Alter von 95 Jahren in Düsseldorf. Seine Werke, insbesondere die ikonischen „Nagelbilder“, machten ihn weltweit bekannt und verhalfen der zeitgenössischen deutschen Kunst zu internationalem Ansehen.

Kindheit, Ausbildung und künstlerische Anfänge

Günther Uecker wurde am 13. März 1930 in Wendorf (Mecklenburg) geboren. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs prägten seine Jugend tief. Nach ersten Studien in Wismar und Berlin-Weißensee floh er 1953 aus der DDR in den Westen und setzte sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf fort.

Bereits früh begann er, sich mit der Materialität von Kunst auseinanderzusetzen. 1956 schlug er erstmals Nägel in Leinwände – eine Technik, die bald zu seinem Markenzeichen wurde. Diese Werke bezeichnete er selbst als "Räume für Licht und Schatten".

Die ZERO-Gruppe – Kunst als Neuanfang

1961 wurde Uecker Mitglied der Künstlergruppe ZERO, gegründet von Heinz Mack und Otto Piene. ZERO stand für einen radikalen Neuanfang: Kunst sollte von Ideologien befreit, Licht, Bewegung und Struktur zum Thema werden. Ueckers Nägel spielten dabei eine zentrale Rolle – sie warfen Schatten, reflektierten Licht und schufen neue Räume.

Mit der ZERO-Gruppe erreichte er internationale Anerkennung. Ausstellungen in New York, Tokio, Paris und Berlin folgten. Werke von Uecker befinden sich heute in Museen wie dem MoMA, der Tate Modern und dem Centre Pompidou.

Engagement für Frieden und Erinnerung

Uecker war nie ein unpolitischer Künstler. Er setzte sich in seinem Werk immer wieder mit Krieg, Gewalt und Erinnerung auseinander. Seine Installation zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus oder seine Werke zur Wendezeit in Deutschland zeigen, wie eng Kunst und Geschichte in seinem Denken verbunden waren.

Eines seiner bewegendsten Werke ist der Zyklus „Aschebilder“, den er nach einem Besuch in Hiroshima schuf. Diese Arbeiten dokumentieren seine Auseinandersetzung mit Zerstörung und menschlicher Schuld.

Späte Werke und Ehren

In den letzten Jahrzehnten widmete sich Uecker zunehmend religiösen Themen. Besonders seine Glasfenster im Schweriner Dom und seine Arbeiten zur christlichen Mystik stießen auf große Beachtung.

Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen der Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen, das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und Ehrendoktorwürden mehrerer Universitäten.

Der letzte Klang – Abschied mit Glockengeläut

Anlässlich seines Todes wurde in Düsseldorf und Schwerin symbolisch Glockengeläut per Telefon übertragen – eine Idee, die seinem ästhetischen und spirituellen Verständnis entsprach: Klang als Verbindung, als Echo von Vergangenheit und Gegenwart.

Viele Wegbegleiter, Künstler und Politiker äußerten sich tief bewegt über seinen Tod. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte ihn als "eine Lichtgestalt der Kunst, die mit Nägeln die Seele berührte".

Ein Erbe für Generationen

Günther Ueckers Werk ist mehr als Kunst – es ist Erinnerung, Reflexion und Mahnung. Seine Nagelbilder, die dem Chaos Ordnung geben und dem Schmerz Schönheit, werden bleiben. Nicht nur in Museen, sondern auch in der Haltung einer ganzen Künstlergeneration, die nach ihm kam.

Er bleibt unvergessen als der Mann, der Nägel nicht zum Zerstören, sondern zum Erschaffen benutzte.


Kommentar veröffentlichen

0 Kommentare